Donnerstag, 27. Oktober 2011
Lieder über gar nichts
icks, 23:03h
„Wort ist das falsche Wort“ – so bodenständig sie namentlich daherkommen, so schwierig lassen sich die Erdmöbel und ihre Musik beschreiben. Zitatversatzstücke, Satzbaustellen, Wortspiele in vollem Ernst und das verpackt in Popmusik, die so retro durchgedacht ist, dass sie hochaktuell klingt. Und vor allem: triefend schön und entspannt spannend.
Das unkalkulierbare Freiburger Konzertpublikum hatte wieder einmal zugeschlagen, gestern Abend im Jazzhaus: Icks und Ox mal wieder perplex, denn anfangs gähnt die Leere im Gewölbekeller. Friedemann Weise, den die Erdmöbel als Vorband mitgebracht haben, trägt es mit Fassung: „Ich komm einfach nochmal auf die Bühne und ihr tut dann so, als würdet ihr euch freuen“, beginnt er sein Set. Ein Mann, eine Stimme, eine Gitarre – so steht er da und macht doch gleich mit seinem ersten Song klar, was er nicht ist: „Nie wieder deutsche Songwriter“ fordert er.
Augenzwinkernd, sarkastisch, mit einer ausgewachsenen Prise Selbstironie lümmelt er sich durch seine Setliste: Acht Songs, überwiegend von seinem aktuellen Album „Ein bisschen Friede“, das 2010 von Ekki Maas, dem Bassisten der Erdmöbel produziert wurde. Weise schaut schlau hinter kleine Alltagsfragen, ist in seinen Songs wie auch in den Ansagen ein gekonnter Geschichtenerzähler. „Es ist schön vor Menschen zu spielen“, lobt er, „gestern waren wir in Regensburg“ folgt die sarkastische Wende.
Auch die Geschichte, was Reinhard Mey mit Meditation, Metaphern, Demut und Brüsten zu tun hat, ist so abstrus wie gelungen – nachhören kann man sie im Song „Coconuts“. Musikalische Räder erfindet Weise zwar nicht neu, aber seine Sprachspielereien verpackt er geschickt in abwechslungsreiche Gesangslinien und groovende Akkustik-Gitarren . Zum Abschluss begleitet er sich selbst auf der zweiten Stimme in einer feinen Persiflage auf Bohlensche Castingshows. Spätestens jetzt muss auch das Publikum nicht mehr so tun als ob, sondern freut sich tatsächlich über den Auftritt des Kölners.
Inzwischen hat sich auch das Kellergewölbe etwas gefüllt und die Erdmöbel, die schon beim Auftritt von Friedemann Weise als riesige Köpfe von der Bühne blickten, betreten die Bühne. Nun werden sie wahr oder waren sie schon wer? Wer aber sind die Erdmöbel, diese Legende, die kaum jemand zu kennen scheint, die aber doch seit nunmehr 15 Jahren zusammen Musik macht. Acht Alben haben sie produziert, eben erschien als neuntes eine Retrospektive, auch für einen Film war noch Zeit. Doch solche Details, einzelne Fakten und Daten verstellen den Blick auf das Gesamtkunstwerk Erdmöbel.
Da steht eine Einheit auf der Bühne. Ein modisch, ästhetisch und musikalisch durchkomponiertes Werk: Schräge Brillen, bunte Anzüge, ausgefallenes Schuhwerk, wirre Frisuren, pornoeske Bärtchen – die Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Doch das Ganze wirkt nicht aufgesetzt, sondern echt wie eine Eckkneipe in Köln Nippes. Oder wie eine Herrenboutique in Lüdenscheid. Entspannt, vielleicht ist entspannt das richtige Wort für den Auftritt der fünf Herren mittleren Alters.
Soviel zur visuellen Ebene, aber was gab es von den Erdmöbeln zu hören? Zwei Stunden lang einfach tolle Musik lautet die Kurzfassung. Bestechende, verschroben-sperrige Texte aus der Feder von Markus Berges, vorgetragen mit hervorragendem Timing, abwechslungsreicher Phrasierung und einer ab und an elegant in die Kopfstimme kippende Tonlage. Bei manchen Passagen scheint Francesco Wilking von Tele hinter der Ecke zu lauern. Auch Nikko Weidemann ist nicht fern.
Das rhythmische Fundament dazu liefert ein souveräner, lässig entspannter, zerstrubbelt grinsender Ekimas alias Ekki Maas am Bass und ein Schlagwerker mit der Präzision eines Uhrmachers und dem Outfit eines Buchhalters, der seinen linken Drumstick häufig nur auf den Rand der Trommel klacken lässt. Abgerundet wird das vom Schlaks Henning Beckmann an der Posaune und Wolfgang Proppe freudestrahlend am Klavier.
Die Songs, 23 an der Zahl, bieten einen wunderbaren Querschnitt durch die Alben der Band: Das Frühwerk „Das Ende der Diät“ ist mit „Wurzelseeliger“ ebenso vertreten wie das letzte Album „Retrospektive“ mit einem brandneuen Song „Krähen“. Organisch klingt das alles und authentisch. Wärmer und runder als auf Platte, nah dran und doch immer mit der nötigen Distanz zum eigenen Text und Ton. Wahrgenommen, wie durch den Sucher der Leica M, die das Plattencover von „Krokus“ ziert.
Zum Ende des regulären Sets wandeln die Erdmöbel noch in den Schuhen von Audrey Hepburn über die Bühne bevor es in der Zugabe „Nah bei dir“, nah beim Publikum endet. Und das war restlos begeistert. Auch von kleinen Bonmots zwischen den Songs: „Ihr denkt wir reden übers Wetter? Dabei bereiten wir doch nur das nächste Lied vor: „Lied über gar nichts“.“ Wenn gar nichts immer so klingt, wie gestern Abend im Jazzhaus, ist weniger mehr.
Icks isn't Burroughs and some words are borrowed from Ox.
Das unkalkulierbare Freiburger Konzertpublikum hatte wieder einmal zugeschlagen, gestern Abend im Jazzhaus: Icks und Ox mal wieder perplex, denn anfangs gähnt die Leere im Gewölbekeller. Friedemann Weise, den die Erdmöbel als Vorband mitgebracht haben, trägt es mit Fassung: „Ich komm einfach nochmal auf die Bühne und ihr tut dann so, als würdet ihr euch freuen“, beginnt er sein Set. Ein Mann, eine Stimme, eine Gitarre – so steht er da und macht doch gleich mit seinem ersten Song klar, was er nicht ist: „Nie wieder deutsche Songwriter“ fordert er.
Augenzwinkernd, sarkastisch, mit einer ausgewachsenen Prise Selbstironie lümmelt er sich durch seine Setliste: Acht Songs, überwiegend von seinem aktuellen Album „Ein bisschen Friede“, das 2010 von Ekki Maas, dem Bassisten der Erdmöbel produziert wurde. Weise schaut schlau hinter kleine Alltagsfragen, ist in seinen Songs wie auch in den Ansagen ein gekonnter Geschichtenerzähler. „Es ist schön vor Menschen zu spielen“, lobt er, „gestern waren wir in Regensburg“ folgt die sarkastische Wende.
Auch die Geschichte, was Reinhard Mey mit Meditation, Metaphern, Demut und Brüsten zu tun hat, ist so abstrus wie gelungen – nachhören kann man sie im Song „Coconuts“. Musikalische Räder erfindet Weise zwar nicht neu, aber seine Sprachspielereien verpackt er geschickt in abwechslungsreiche Gesangslinien und groovende Akkustik-Gitarren . Zum Abschluss begleitet er sich selbst auf der zweiten Stimme in einer feinen Persiflage auf Bohlensche Castingshows. Spätestens jetzt muss auch das Publikum nicht mehr so tun als ob, sondern freut sich tatsächlich über den Auftritt des Kölners.
Inzwischen hat sich auch das Kellergewölbe etwas gefüllt und die Erdmöbel, die schon beim Auftritt von Friedemann Weise als riesige Köpfe von der Bühne blickten, betreten die Bühne. Nun werden sie wahr oder waren sie schon wer? Wer aber sind die Erdmöbel, diese Legende, die kaum jemand zu kennen scheint, die aber doch seit nunmehr 15 Jahren zusammen Musik macht. Acht Alben haben sie produziert, eben erschien als neuntes eine Retrospektive, auch für einen Film war noch Zeit. Doch solche Details, einzelne Fakten und Daten verstellen den Blick auf das Gesamtkunstwerk Erdmöbel.
Da steht eine Einheit auf der Bühne. Ein modisch, ästhetisch und musikalisch durchkomponiertes Werk: Schräge Brillen, bunte Anzüge, ausgefallenes Schuhwerk, wirre Frisuren, pornoeske Bärtchen – die Liste ließe sich fast beliebig verlängern. Doch das Ganze wirkt nicht aufgesetzt, sondern echt wie eine Eckkneipe in Köln Nippes. Oder wie eine Herrenboutique in Lüdenscheid. Entspannt, vielleicht ist entspannt das richtige Wort für den Auftritt der fünf Herren mittleren Alters.
Soviel zur visuellen Ebene, aber was gab es von den Erdmöbeln zu hören? Zwei Stunden lang einfach tolle Musik lautet die Kurzfassung. Bestechende, verschroben-sperrige Texte aus der Feder von Markus Berges, vorgetragen mit hervorragendem Timing, abwechslungsreicher Phrasierung und einer ab und an elegant in die Kopfstimme kippende Tonlage. Bei manchen Passagen scheint Francesco Wilking von Tele hinter der Ecke zu lauern. Auch Nikko Weidemann ist nicht fern.
Das rhythmische Fundament dazu liefert ein souveräner, lässig entspannter, zerstrubbelt grinsender Ekimas alias Ekki Maas am Bass und ein Schlagwerker mit der Präzision eines Uhrmachers und dem Outfit eines Buchhalters, der seinen linken Drumstick häufig nur auf den Rand der Trommel klacken lässt. Abgerundet wird das vom Schlaks Henning Beckmann an der Posaune und Wolfgang Proppe freudestrahlend am Klavier.
Die Songs, 23 an der Zahl, bieten einen wunderbaren Querschnitt durch die Alben der Band: Das Frühwerk „Das Ende der Diät“ ist mit „Wurzelseeliger“ ebenso vertreten wie das letzte Album „Retrospektive“ mit einem brandneuen Song „Krähen“. Organisch klingt das alles und authentisch. Wärmer und runder als auf Platte, nah dran und doch immer mit der nötigen Distanz zum eigenen Text und Ton. Wahrgenommen, wie durch den Sucher der Leica M, die das Plattencover von „Krokus“ ziert.
Zum Ende des regulären Sets wandeln die Erdmöbel noch in den Schuhen von Audrey Hepburn über die Bühne bevor es in der Zugabe „Nah bei dir“, nah beim Publikum endet. Und das war restlos begeistert. Auch von kleinen Bonmots zwischen den Songs: „Ihr denkt wir reden übers Wetter? Dabei bereiten wir doch nur das nächste Lied vor: „Lied über gar nichts“.“ Wenn gar nichts immer so klingt, wie gestern Abend im Jazzhaus, ist weniger mehr.
Icks isn't Burroughs and some words are borrowed from Ox.
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