Dienstag, 30. August 2011
60 mal 45: Groß, schwarz, rund
Zum 60sten Geburtstag der deutschen Vinylschallplatte hier fünf Scheiben für die Ewigkeit.



1. Beatles - The White Album
Mein erstes eigenes Vinyl. Nach stundenlangem Betteln und Zetern vom Papa bei einer Beatles-Ausstellung geschenkt bekommen. Dass ich damals noch keinen eigenen Plattenspieler hatte, war egal, die Scheibe wollte ich einfach haben - schließlich hatte mich eine Kassette mit dem Roten und dem Blauen Album schon jahrelang als Soundtrack beim Legospielen geprägt. Das Album strahlt einen mit dem wohl besten, weil schlichtesten Cover aller Zeiten an und ist dazu eine der spannendsten und vielfältigsten Platten der Jungs aus Liverpool. Nicht nur das Clapton-Solo bei "While my guitar gently weeps" ist bis heute wie in Marmor gemeißelt.

2. Michael Jackson - Thriller
In meinen Augen DAS Album von Jacko. Unglaubliche Hit-Dichte, der King of Pop auf dem Zenit seiner stimmlichen und tänzerischen Fähigkeiten. Doch nicht nur Jackson selbst brilliert auf dieser Scheibe: Auch Produzent Quincy Jones liefert großartige Sounds ab, die ihn zu einem Teil der Kunstfigur Jackson werden lassen. Dass auch noch Paul McCartney und Gitarrengott Eddie van Halen mit dabei sind, setzt dem Ganzen dann das Sahnehäubchen auf. Von den Musikvideos, die einem dazu vor dem geistigen Auge ablaufen, brauche ich gar nicht erst zu reden - auch die sind bis heute stilprägend.

3. Guns N' Roses - Appetite For Destruction
Man nehme die Wucht, die Wut und die Ungeschliffenheit des frühen Punks und das ausgefeilte Songwriting und die komplexen Gitarrenlinien der New Wave of British Heavy Metal, sperre das Ganze mit einen Vorrat Jack Daniels, Zigaretten und Heroin in eine dreckige Garage in Los Angeles und lasse es gähren. Heraus kommt ein wahres Monster, das die Musikwelt Ende der 80er-Jahre vor den Kopf stößt: Guns N' Roses in der Urbesetzung. Das kongeniale Songwriter-Duo Rose/Stradlin, die präzise Rhythmusgruppe McKagan/Adler und dazu an der Solo-Gitarre ein Wesen "half man, half beast, and it calls itself Slash". Eine Platte, die vom ersten bis zum letzten Song die rohe Energie des Rock ausstrahlt.

4. Bad Religion - How Could Hell Be Any Worse?
Ein Debütalbum, das einen trifft wie eine Faust. Roh, schnell, ungeschliffen findet sich hier der Kern all dessen, was Bad Religion auch nach dreißig Jahren noch zu einer der wichtigsten Punkbands der zweiten Generation macht. 14 Songs in einer knappen halben Stunde, darunter Klassiker wie "Fuck Armageddon" und "We're only gonna die". Schon in diesem noch sehr rauhen Kern finden sich die markanten mehrstimmigen Chöre, die den Gesang von Graffin tragen. Graffin ist auf der Bühne kein Mann der großen Show, es reicht ein gen Himmel gereckter Zeigefinger um dem Stakkato von brillianten, intelligenten und doch wütenden Texten den nötigen Nachdruck zu verleihen und einem einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen.

5. Portishead - Live Roseland NYC
Die Speerspitze des Bristol Trip-Hop. Nie war elektronisch-minimalistische Musik so organisch und vielschichtig. Trockene, hypnotische Drums; Geräusche, deren Ursprung sich nicht zweifelsfrei klären lassen; dazu Gitarren und Hammond B3-Sounds, die sich wie Monsterwellen langsam aufbauen, um dann über einen hereinzubrechen; unterbrochen und getragen zugleich von der zerbrechlichen Stimme von Beth Gibbons. Die filigranen Songs der ersten zwei Alben bekommen hier durch das Orchester und die Live-Atmossphäre nochmal eine neue Wendung. Nur das Publikum gehört für das unsägliche Mitklatschen bei "Roads" mindestens zweifach kielgeholt.

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