Freitag, 25. Februar 2011
Visionen eines adligen Trompetentiers


So sieht es aus, wenn eine Band vom Kaliber der wunderbaren namenlosen Band versucht, eine Setliste zur entwerfen. Man nehme die beiden brillianten Platten, die man bislang herausgebracht hat, kürze die Songtitel auf lesbare Länge herunter und... nichts und. Sonst wird nichts gekürzt oder gestrichen. Fertig bzw. los geht's.



Was zunächst sehr routiniert und fast schon langweilig-uninspiriert erscheinen mag, entwickelt sich jeodch schnell zu einem ganz außergewöhnlichen Konzert. Gisbert zu Knyphausen lädt ein ins Dortmunder Konzerthaus und die Jünger und die Älteren folgen seinem Ruf. Selbigem wird er auch dieses Mal mehr als nur gerecht. Nicht nur die Tatsache, dass er und seine vier Mitstreiter gut zwei Stunden den noblen Saal mit Klang erfüllen, sondern auch die Art und Weise, die Leidenschaft und Kreativität mit der sie dies tun, haut ein um. Nicht ganz, man sitzt ja schon.



Unplugged mit Band hieß es im Untertitel. Und weniger ist hier weniger weniger als vielmehr viel mehr. Die übliche Band-Besetzung mit entstöpselten Gitarren und Bässen, der Deufel heute nur als Besenbub, ein Unbekannter an Flügel und Cello und der Meister Gunnar Ennen darf zeigen, dass man die wunderbare Klangvielfalt von Rhodes und Analog-Orgeln auch auch einem Xylophon hinbekommt. Wunderbar. Einfach so, einfach so, so einfach. Doch das beeindruckendste ist die Band als Ganze, was sie macht, wie sie agiert und was sie aus tausendmal gespielten und tausendmal gehörten Songs am heutigen Abend rausholt.



Denn keiner der Titel (von eineigen Solo-Nummern einmal abgesehen) kommt im altbekannten Gewand daher. Doch sind sie nicht einfach nur gestrippt, wie so oft beim unplugged, sie leben, atmen, arbeiten und zeigen, dass alles auch immer ganz anders sein könnte. Sie zeigen die Willkührlichkeit der Plattenaufnahme, die Vielschichtigkeit der Songstrukturen und ihrer ungenutzten Möglichkeiten. Denn wär hätte gedacht, dass im Krachgarten ein zurückgelehnter G-Funk Hip-Hop schlummert, dass Graugraugrau ein geradezu psychodelischer Free-Jazz werden kann. Dass Herr zu Knyphausen auch noch Waldhorn spielen kann, sollte einen ja eigentlich nicht verwundern, tut es aber doch und fügt sich wunderbar in die Gesamtvielfalt ein. Genau wie das Cello, das mit seinem Solo so seltsam durch die Nacht wieder ganz zu den Anfängen in Gisberts Schlafzimmer führt.



Psychedelische Schlafzimmerlandschaften auf morschem Holz entstehen an diesem Abend jedoch nicht nur für die Ohren. Die Augen genießen mit. Dank einer jungen Dame, die sich ein wenig faustisch-alchemistisch über zwei Overhead-Projektoren beugt, schüttet, rührt, wackelt, pustet und auf diese Weise mit so einfachen Dingen wie farbigen Flüssigkeiten, Sand, Stoffen, Fäden etc. die dieser Musik angemessen analogen Visuals produziert. Ganz zauberhaft. Einfach so. Einfach so. So einfach.

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